
In den deutschen Alpen gehört er sicherlich zu den berühmtesten Bergmassiven und lässt das Alpinistenherz höher schlagen: der Watzmann in den Berchtesgadener Alpen. Nach der Zugspitze und dem Hochwanner ist er zwar nur der dritthöchste Hauptgipfel Deutschlands, steht den beiden Kollegen im Wettersteingebirge aber sonst in nichts nach. Im Gegenteil, in der Hochsaison lockt der Berg tausende Alpinisten an. Die Watzmannüberschreitung gilt als eine der interessanten und anspruchsvollsten Bergtouren, nehmen wir mal echte Klettertouren raus, in den bayrischen Alpen. Wer die angesprochene Herausforderung im Klettern sucht, wird stattdessen in der Watzmann-Ostwand fündig: 1.800 Meter ragt die Wand vom Königssee zur Südspitze auf. Damit ist sie die höchste Wand der Ostalpen.
Zur Berühmtheit des Watzmann trägt auch die Watzmannsage bei. Nach dieser herrschte im Berchtesgadener Land einst der grausame König Watzmann. Als er eine arme Bauernfamilie mit seinen Pferden einfach zertrampelte, verfluchte ihn die überlebende Bäuerin und so wurde der König mitsamt seiner Frau und seinen Kindern zu Stein verwandelt. Daraus ergibt sich auch der Name der Nebengipfel des Watzmann, die Watzmannfrau und die Watzmannkinder. Das Blut der Königsfamilie floss die Ostwand hinab und bildete den Königssee.

Während der Morgendämmerung ging es los.

Sonnenaufgang hinter dem Göllstock

Das Watzmannhaus im ersten Licht
Genug Märchen, kommen wir zurück zu den Fakten. Bei der Watzmannüberschreitung werden, üblicherweise startend beim Watzmannhaus im Norden, die drei Gipfel des Hauptgrats des Watzmannmassiv überschritten, das Hocheck, die Mittel- und die Südspitze. Es folgt ein langer Abstieg ins Wimbachgries. Der Grat ist stark ausgesetzt und kein (!) reiner Klettersteig, nur ein paar Stellen sind mit Stahlseilen versichert. Wer Kletterei im zweiten Grat nicht beherrscht oder schon im Abschnitt vom Hocheck zur Mittelspitze Probleme hat, sollte dort besser umdrehen. Davon abgesehen ist die Tour sehr lang und stellt daher auch konditionell eine Herausforderung dar.
Die Watzmannüberschreitung ist eine der Touren, die ich im Jahr 2023 auf jeden Fall unternehmen wollte. Irgendwie hatte ich jedoch nie Partner gefunden und alleine wollte ich die Tour auch nicht gerade gehen, es kann ja immer etwas passieren. Etwas unverhofft meldete sich Anfang Oktober dann ein gewisser Erhard auf Facebook in einer Bergsteigergruppe und fragte, ob noch jemand Lust hätte, eine Tour zu unternehmen, evtl. auf den Watzmann? Ich zögerte nicht lange und meldete mich sofort, außerdem schloss sich auch Martina an. So kam es also, dass ich wenige Tage später mit zwei Ü40-Jährigen zum Watzmannhaus aufstieg. Das hatte etwas von Eltern-Kind-Ausflug und war zunächst, sagen wir, speziell - aber wenn man ein gemeinsames Ziel hat, passt das doch. Die beiden Tagen wurden wirklich sehr schön. Wir haben uns bestens verstanden, da ist das Alter nicht entscheidend.

Aufstieg zum Hocheck

Kurz vorm ersten Gipfel

Auf dem Hocheck

Blick zum Königsee
Wir trafen uns am Parkplatz Wimbachbrücke bei Berchtesgaden, um von dort die Tour zu starten. Wie erwähnt, stand am ersten Tag nur der Ausftieg zum Watzmannhaus an, die eigentliche Überschreitung wollten wir einen Tag später angehen. Das sollte wettertechnisch eine gute Wahl sein. Während es am ersten Tag meist regnete und stark bewölkt war, sah die Sache am zweiten ganz anders aus. Strahlender Sonnenschein oben, die Wolken nur unten im Tal, atemberaubende Weitblicke - so wie man es sich wünschte.
Aus besagten Gründen boten sich die Weitblicke beim Hüttenzustieg nicht. Hier waren wir einfach froh, halbwegs trocken anzukommen. Am Tag der Überschreitung starteten wir gegen 6 Uhr, die Morgendämmerung hatte gerade eingsetzt. Wenig später, während wir zum Hocheck aufstiegen, ging hinter dem Göllstock die Sonne auf, die die Felsen um uns herum orange färbte. Im Westen leuchtete der Hochkalter. Unten im Tal hingen Nebelschwaden, eine beeindruckende Morgenstimmung.
Zum Hocheck benötigten wir nur etwas mehr als eine Stunde und standen bald am ersten Gipfel und legten die erste Pause ein. Zeit, um die Aussicht zu genießen. Bis hierhin waren recht viele Bergsteiger unterwegs, aber deutlich weniger, als es an Wochenenden in der Hochsaison der Fall gewesen wäre. Gut, dass wir erst Ende Oktober und unter der Woche die Watzmannüberschreitung unternahmen. Kaum weiter Richtung Mittelspitze war es mit der starken Frequentierung schlagartig vorbei. Entweder waren wir sehr langsam und die restlichen Bergsteiger waren uns schon davongelaufen, was ich stark bezweifelte, oder die meisten waren schon am Hocheck umgedreht. So nahmen wir relativ einsam den nächsten Gipfel in Angriff. Dabei bot sich zum ersten Mal ein beeindruckender Blick auf den Königssee weit unten im Tal.
Der Wegweiser am Hocheck wollte uns weißmachen, zur Mittelspitze würde es eine Stunde dauern. Ein bisschen verwundert erreichten wir diese aber schon nach einer halben Stunde. Auf dem Weg gab es die ersten kleineren Kletterstellen. Diese stellten zwar technisch keine Herausforderung dar, ich tat mir aber teilweise schwer damit, gute Tritte zu finden, da die Beine des 1,63 m kleinen Philipp kaum bis zum Boden reichten. All zu problematisch war das jedoch nicht.

Blick zurück zum Hocheck, rechts unterhalb die Watzmannfrau

Gipfelkreuz der Südspitze

Glocknergruppe

Venedigergruppe

Hochkönig
Wortwörtlich war nun der Höhepunkt erreicht, mit 2.713 Metern ist die Mittelspitze der Hauptgipfel des Watzmanns. Weiter ging es zur Südspitze, mit 2.712 Metern nur unwesentlich niedriger als die Mittelspitze, in Bezug auf das Panorama, aber interessanter, fand ich. Auf dem Wegstück zur Südspitze blickte man hinab in die Watzmannostwand, die Respekt einflößt. Zudem war später an genau diesem Tag in der Wand ein Kletterer abgestürzt. Ein etwas komisches Gefühl im Nachhinein, gleichzeitig an diesem Berg unterwegs gewesen zu sein. Andererseits gehört zur Wahrheit auch, dass der Kletterer wohl nicht sehr erfahren war und sich in der Wand ohne Sicherung verstiegen hatte. Daher: die Wand würde ich gerne einmal klettern, aber erst, wenn ich das hundertprozentig drauf habe. Im Moment reichte es mir, die Wand von oben zu bestaunen.
Noch einmal ging es über etwas ausgesetzteres, nicht gesichertes Gelände, ehe wir den letzten Gipfel, die Südpsitze erreichten. Wie gesagt, das Panorama war überragend. Im Süden glänzten die Gletscher am Großglockner und Großvenediger. Bestaunen konnte man auch das steinerne Meer mit der Schönfeldspitze, östlich davon der höchste Berg der Berchtesagedner Alpen, der Hochkönig.

Das steinerne Meer mit der Schönfeldspitze (links)

ein Alpensteinbock
Über den Abstieg hatte ich schon viel Schlechtes gehört. Er ziehe sich ewig hin, es gebe hie fast nur Geröll und man werde ziemlich müde dabei. Was sollte ich sagen? Es stimmte alles. Der Abstieg wollte und wollte nicht enden, ich sehnte die Wimbachgrieshütte herbei. Nur Martina hatte aus unerklärlichen Gründen ihren Spaß an diesem Abschnitt.
Interessant waren dafür die Steinböcke, die sich wenige Meter neben dem Weg ausruhten. Auch die Felsformationen hier waren ziemlich beeindruckend. Froh war ich dennoch, als wir endlich unten im Wimbachgries ankamen. Die Wimbachgrieshütte hatte zum Glück noch genau einen Tag geöffnet und so durften wir hier noch einen Kuchen genießen. Danach machten wir uns auf den Weg zurück zur Wimbachbrücke, nur noch wenige Kilometer, meistens in der Eben oder leicht bergab. Ein leichter Spaziergang - es reichte mittlerweile aber trotzdem, da wir schon ca. 20 km Wegstrecke und über 2.000 Höhenmeter in den Beinen hatten. Bald war das Ziel erreicht, das Ende eines erfolgreichen Tages.