
Der Similaun war schon lange auf der Liste meiner Gipfelziele. Schließlich ist dieser Berg gewissermaßen der Grund, warum ich überhaupt mit Hochtouren angefangen habe. Als ich 2021 mit der Kreuzspitze im Ötztal meinen ersten Dreitausender bestieg, faszinierte mich der Ausblick auf die umliegenden Gipfel, insbesondere auf den Similaun mit Niederjoch- und Marzellferner, so sehr, dass ich mir vornahm, solche Berge auch eines Tages zu besteigen.
Ein Jahr später nahm ich daher an einem Hochtourenkurs und nochmal zwei Monate später auch an einer geführten Hochtour auf die 3.768 Meter hohe Wildspitze teil. Hier lernte ich auch Chris kennen, der mich auf dieser Tour begleitete. Außerdem war mein Kletterpartner Ruben am Start, sowie ein weiterer Chris, den Ruben über ein Onlineforum mit in die Seilschaft aufgenommen hatte.

Ortler im Morgenrot

Auf dem Niederjochferner

Blick zum Kreuz- und Marzellkamm

Blick über den Niederjochferner zur Weißkugel und Finailspitze

Blick nach Südtirol. Unten der Vernagtstausee
Geplant war eigentlich, von der Martin-Busch-Hütte aus den Similaun und die Hintere Schwärze zu besteigen. Allerdings hatte es wenige Tage vor der Tour ein Unwetter im Ötztal gegeben, sodass die einzige nach Vent führende Straße gesperrt war - zumindest genau bis zum Tag unserer Anreise. Im Nachhinein hätten wir also alles genauso umsetzen können, wie es gedacht war. Da aber nicht klar war, wann die Straße wieder frei sein würde, wichen wir kurzfristig auf die Similaunhütte aus und stiegen statt von der österreichischen von der italienischen Seite, von Vernagt, auf.
Im Hüttenzustieg erklärte Ruben, ein Freund von ihm sei aktuell auch auf der Hütte. Er und seine Frau würden sich eventuell auch unserer Seilschaft anschließen. Und natürlich hieß auch dieser Kollege Chris. Unser Team bestand somit zu 50 Prozent aus Chris.
Zusammen mit der ganzen Crew aßen wir am Abend noch etwas auf der Hütte und besprachen kurz das Vorgehen für den nächsten Tag. Danach ging es ins Bett - schließlich wollten wir morgens um ca. 6 Uhr starten.
Traditionsgemäß verspätete sich unser Start, was bei dieser Tour jedoch nicht ganz so schlimm war. Schließlich dauerte der Anstieg auf den Similaun nicht sehr lang, nur etwa zwei Stunden, wenn überhaupt. Daher bestand keine Gefahr, zu spät zurückzukehren, das Wetter sollte an diesem Tag auch halten.

Die Ortlergruppe

Marzellferner

Blick über den Gletscher zur Hinteren Schwärze
Während es schon hell wurde, machten wir uns auf den Weg zum Niederjochferner. Dieser zog sich in den letzten Jahren sehr stark zurück. Während man früher nur wenige Meter von der Hütte zum Beginn des Gletschers zurücklegte, war der Weg mittlerweile schon deutlich länger. Dennoch war der Zustieg nach wie vor vergleichsweise kurz.
Der Weg über den Gletscher war nicht besonders interessant, technische Schwierigkeiten gab es quasi keine. Besonders angenehm war auch, dass es wenige Tage vor unserer Tour noch geschneit hatte. Daher war der Gletscher noch mit Schnee bedeckt und nerviges Blankeis blieb uns erspart. Der Niederjochferner war zudem ohnehin nicht sehr spaltenreich, weshalb man hier zügig voran kam. Nach etwa zwei Dritteln des Aufstiegs verließen wir den Gletscher und betraten den Gipfelgrat. Dieser war wenig spektakulär, nur eine kurze und sehr leichte Kletterstelle galt es noch zu meistern.
Kurz danach standen wir bei bestem Wetter auf dem Gipfel. Die Hochtour auf den Similaun an sich war ziemlich leicht, weder gab es steile Passagen im Eis, noch schwierige Kletterei im Fels. Allerdings war die Tour alles Andere als uninteressant. Schließlich war die Aussicht von diesem Berg umso umwerfender, weswegen sich eine Besteigung definitv lohnte. Im 360°-Panorama fand man unter Anderem die Wildspitze mit dem Vernagtferner etwas südlich davon, die Weißkugel und Finailspitze, im Süden die Ortlerguppe, nördlich die Hintere Schwärze. Im Südosten reichte der Blick bis weit in die Dolomiten mit Antelao und Marmolata. Unter uns zogen derweil einige Nebelschwaden über den Gletscher. Da die Sonne quasi direkt hinter uns stand, konnten wir in Richtung Weißkugel einen runden Regenbogen erkennen.

Regenbogen vor der Weißkugel

Am Gipfelkreuz des Similaun

Hintere Schwärze und Similaun, gesehen vom späteren Auftsieg zur Finailspitze
Der Abstieg verlief wie der Aufstieg. Wieder zurück bei der Hütte legten wir eine kurze Pause ein und stärkten uns mit Apfelstrudel. Chris2 sowie Chris3 und dessen Frau stiegen währenddessen bereits ins Tal ab. So blieben nur noch Ruben, Chris1 und ich für die Besteigung der Finailspitze.
Wenig später starteten wir Richtung Finailspitze. Zu Beginn war der Normalweg mit Stahlseilen, Eisentritten usw. gesichert, für meinen Geschmack deutlich zu viel davon. Das mag jedoch daran liegen, dass auf dem ersten Abschnitt noch viele Touristen diesen Weg nutzten, um zur Ötzifundstelle unterhalb der Finailspitze zu gelangen. Hier stand ein Denkmal, das an die Entdeckung der Gletschermumie erinnerte. Wir schauten uns dieses kurz an, allerdings war der Ort deutlich weniger spannend als die Geschichte des Ötzi selbst.
Nach der Fundstelle mussten wir zunächst noch wenige Altschneefelder queren. Später, im Felsgelände, verschwanden sämtliche Sicherungen und der Kraxelspaß begann. In leichter Kletterei aber mit teils gar nicht so einfacher Wegfindung stiegen wir den immer steiler werdenden Grat entlang zur Finailspitze. Zum Schluss galt es noch eine ausgetzterere Stelle zu passieren. Die Kletterschwierigkeiten lagen am ehesten im ersten, höchstens zweiten Grad, waren also recht gering. Absolut schwindelfrei sollte man hier aber schon sein.

Die Finailspitze

Denkmal bei der Ötzifundstelle
Danach war der zweite Gipfel des Tages erreicht. Von hier hatte man einen schönen Blick auf die Wildspitze, den Vernagtferner, die Weißkugel und in der Ferne auf die Berninagruppe. Direkt gegenüber konnte man natürlich wieder den zuvor bestiegenen Similaun sehen. Im Gegensatz zu letzterem war auf der Finailspitze deutlich weniger los. Zum einen wird der Similaun sicherlich häufiger bestiegen, andererseits erreichten wir die Finailspitze auch vergleichsweise spät am Tag. Somit hatten wir diesen Gipfel für uns allein. Die Ruhe nutzten wir für eine entspannte Pause. Mittlerweile windete es aber sehr stark, daher hielten wir uns nicht mehr all zu lange am Gipfel auf und stiegen wieder ab.
Der erste Teil des Abstiegs war etwas unangenehmer als der Aufstieg, da man im Geröll leicht ins Rutschen kam. Später wurde es wieder flacher und der Weg deutlich einfacher. An der Hütte angekommen, reichte es uns dann auch - die zwei Gipfelbesteigungen machten wirklich müde. Nach den Hochtouren auf den Gran Paradiso, einige Gipfel im Monte Rosa und den Piz Buin war ich kräftemäßig langsam ohnehin am Limit. Gut, dass wir noch einmal auf der Hütte übernachteten, so blieb uns der lange und nicht all zu abwechslungsreiche Abstieg ins Tal vorerst erspart. Dieser stand erst am nächsten Tag an.

Die Weißkugel

Blick Richtung Berninagruppe
