
Der 3.312 Meter hohe Große Piz Buin ist der höchste Berg Vorarlbergs. Er liegt auf der Grenze zum Schweizer Kanton Graubünden. In der Silvretta wird der Gipfel nur noch vom Piz Linard und dem Fluchthorn übertroffen.
Leider ist der Piz Buin auch ein Paradebeispiel für vom Klimawandel veränderte Berge. Der Ochsentaler Gletscher, über den der Normalweg verläuft, hat sich in den vergangen Jahren sehr stark zurückgezogen. Als Folge wird der Zustieg zum Gletscher insbesondere spät im Sommer schwieriger. Wenn die letzten Altschneefelder abgeschmolzen sind, verläuft der Weg nur noch durch Geröll, die Wegfindung ist nicht mehr ganz einfach und die Steinschlaggefahr ist erhöht. Letzteres ist auch in der sogenannten Buinlücke problematisch. Diese Stelle zwischen Großem und Kleinem Piz Buin muss am Ende des Gletschers durchquert werden, um die Westflanke des Großen Piz Buin für den finalen Aufstieg zu erreichen. Am Kleine Piz Buin droht ein Felssturz, vor allem an heißen Tagen, da der Permafrost, der den Fels zusammenhält, auftaut. Immer wieder gibt es hier Steinschlag. Daher muss die Gefahrenzone möglichst schnell und einzeln durchquert werden.

Hüttenzustieg

Am Beginn des Ochsentaler Gletschers
Bei meinem Hochtourenkurs 2022 am Großvenediger lernet ich mit Marc und Eric zwei gute neue Freunde kennen, mit denen ich ganz sicher mal wieder in die Berge gehen wollte. Da beim Kurs die Besteigung des Großvenedigers wegen schlechter Bedingungen ausgeblieben war, hatten wir ursprünglich vor, eben diesen ein Jahr später zu besteigen. Weil die Hütte zu unserem Wunschtermin jedoch bereits ausgebucht war, entschieden wir uns nach kurzer Diskussion stattdessen für den Piz Buin. Für Marc war das ideal, schließlich war der Piz Buin sein Traumberg, den er auf jeden Fall einmal besteigen wollte.
Also ging es Ende August 2023 in die Silvretta. Marc hatte noch seinen Freund Mario in unsere Seilschaft aufgenommen. Mit den beiden traf ich mich in Bludenz, bis dahin war ich mit dem Zug gefahren, den Rest der Anreise legten wir zu dritt im Auto zurück. Über die Silvrettahochalpenstraße erreichten wir die Bielerhöhe, wo der Silvrettastausee liegt. Von dort begannen wir den Ausftieg zur Wiesbadener Hütte. Eric war derweil schon dort angekommen.
Der Zustieg war relativ kurz, etwa zwei Stunden benötigte man zur Hütte. Dort trafen wir uns mit Eric und besprachen unsere Pläne für den Gipfeltag. Es war lange fraglich geblieben, ob eine Besteigung des Piz Buin überhaupt möglich sein würde. Der Wetterbericht mal eine ziemliche Katastrophe, Regen und Gewitter waren angesagt. Vor Ort sah es glücklicherweise besser aus als gedacht. Der Wetterbericht des Hüttenwirts stimmte uns zudem deutlich positiver als die, die wir bisher in Betracht gezogen hatten. Am Morgen um 5 Uhr sollte es noch leicht gewittern, danach bis nachmittags um ca. 14 Uhr nicht mehr. Das sollte reichen, um den Gipfel zu besteigen und sicher wieder zurückzukehren.
Gewitter um 5 Uhr, das stimmte schonmal. Pünktlich, als wir uns auf den Weg machen wollten, endete dieses aber - ebenfalls wie vorhergesagt. Also zogen wir los, erstmal in die komplett falsche Richtung, um dann querfeldein zum Gletscherbach abzusteigen und letztlich doch noch den richtigen Weg zu erreichen.
Eine gute Sache hatte die schlechte Wettervorhersage: Viele Bergsteiger hatten spontan ihren Besuch auf der Hütte storniert, sodass diese quasi leer war. Einerseits konnten wir deshalb statt im Lager doch in einem schönen Mehrbettzimmer schlafen, andererseits hatten wir damit auch den Berg fast für uns allein. Außer uns waren nur wenige Seilschaften unterwegs. So kamen wir recht schnell voran und blieben gut im Zeitplan.
Wie anfangs schon erwähnt ist bereits der Zustieg zum Gletscher kein Spaziergang. Auf dem losen Geröll rutschte man immer wieder leicht weg, Wegmarkierungen war auch nicht zu erkennen. So hatten wir die ersten Kletterpassagen schon zu überwinden, bevor der "richtige" Teil der Hochtour überhaupt begann. Das bedeutet entweder, dass wir irgendwas falsch machten oder der Weg war wirklich nicht schön.
Irgendwann hatten wir den Gletscher erreicht. Beim Anseilen fing es an, leicht zu regnen. Sorge bereitete uns das Wetter aber nicht, der Regen hörte so schnell auf, wie er gekommen war. Etwas rechtshaltend ging es über den Ochstentalergletscher. Auf dieser Seite waren wenige Spalten vorhanden, und die, die sich uns in den Weg stellten, waren nicht all zu groß und leicht zu umgehen. Auf etwa halbem Weg steuerten wir dann geradlinig auf die Buinlücke zu. Abgesehen davon, dass der Gletscher natürlich größtenteils blank war, waren die Bedingungen bis hier hin deutlich besser als erwartet.

Silvrettahorn

Blick über den Gletscher nach Norden

Am Gipfel
Die Buinlücke querten wir so schnell wie möglich. Erst danach legten wir eine kurze Pause ein. Wir zogen für den Rest des Anstiegs, der nur noch im Fels verläuft, die Steigeisen aus und gingen ohne Seil weiter. Durch die Westflanke gelangten wir in kurzer Zeit zum Gipfel. Einen Kamin, der Schlüsselstelle darstellte (II), umgingen wir unbewusst - irgendwie konnte man einfach um die Kletterstelle herumlaufen. Währenddessen hörte man immer wieder Gestein den Hang herunterstürzen, zum Glück nicht auf der Westseite des Berges, wo der Normalweg verläuft.
Auch wenn das Wetter bis zum Schluss hielt - die Aussicht vom Gipfel war quasi nicht vorhanden. Etwas zu tief hingen die Wolken, sodass man am Gipfel mitten in diesen stand. Wir müssten wohl nochmal hier herkommen, meinte Marc, der sich trotzdem sehr über den Gipfelerfolg und seinen obligatorischen Gipfelschnaps freute.
Runter ging es auf dem selben Weg. In der Buinlücke mussten wir uns noch einmal konzentrieren und schnell die Gefahrenzone verlassen. Danach schloss sich im Grunde nur noch ein Gletscherspaziergang an. Die Sonne schien mittlerweile, jetzt wäre die Aussicht am Gipfel besser gewesen.
Kurz vor Ende des Gletschers mussten wir tatsächlich noch eine Spaltenbergung durchführen. Erics Steigeisen war in eine Spalte gefallen. mit einer Reepschnur und seinem Pickel fischte er irgendwie wieder heraus, sonst hätte er den Rest des Weges rutschen können.

Am Gipfel

Kurz vor der Buinlücke

Wieder zurück am Beginn des Gletschers
Das letzte Wegstück zur Hütte zieht sich nochmal, immer wieder geht es auf und ab, während die Beine bereits ziemlich müde sind. Dafür wurden wir, an der Hütte angekommen, mit einem gemütlichen Nachmittag auf der Terasse belohnt. Erst später verschlechterte sich das Wetter wie erwatert, daher konnten wir noch eine Weile den Blick auf den Piz Buin genießen. Die Idee, am nächsten Tag noch die Dreiländerspitze mitzunehmen wurde hingegen sehr schnell verworfen. An diesem war das Wetter tatsächlich katastrophal, daher stiegen wir im strömenden Regen lieber schnell zur Bielerhöhe ab.