
Mit 4.061 Metern Höhe ist der Gran Paradiso der höchste vollständig in Italien liegende Berg. Er befindet sich im gleichnamigen Nationalpark in den Grajischen Alpen. Als Stützpunkt für eine Besteigung dienen das Rifugio Emanuele II und das Rifugio Chabod, von letzterem startete unsere Tour.
Der Gran Paradiso gilt als einer der am leichtesten zu besteigenden Viertausender der Alpen und war daher mein erster Gipfel dieser Größenordnung. Die Hochtour ist mit PD, also "wenig schwierig" bewertet, was bedeutet, dass sich die technischen Schwierigkeiten stark in Grenzen halten. Konditionell ist die Besteigung des Gran Paradiso dennoch eine große Herausforderung: Vom Rifugio Chabod gilt es, ca. 1.400 Höhenmeter zu überwinden. Zusätzlich wird die Anstrengung in großer Höhe stärker.
Da ich, was Hochtouren angeht, zu diesem Zeitpunkt noch ziemlich unerfahren war, nahm ich hierfür an einer geführten Tour teil.

Zustieg zum Rifugio Chabod

Der Gran Paradiso zeigt sich zum ersten Mal.

Morgens am Beginn des Gletschers. Der Mont Blanc leuchtet in den ersten Sonnenstrahlen.

Morgendämmerung
Der Zustieg zur Hütte war noch sehr gemütlich und die Temperaturen relativ angenehm. So kamen wir gut voran und bald zeigte sich der Gran Paradiso zum ersten Mal. Ein Kollege freute sich zu diesem Zeitpunkt schon auf den Kaiserschmarrn auf der Hütte und war sehr enttäuscht, als wir ihm erklärten, dass die Wahrscheinlichkeit dafür in Italien sehr gering war. Wenig später erreichten wir bereits unser Ziel für den Tag, das Rifugio Chabod. Auf der Terasse der Hütte stärkten wir uns nochmal für den kommenden Tag, ohne Kaiserschmarrn, dafür mit gutem italienischem Essen - immer mit dem Gran Paradiso im Blick. Hier konnte man nur erahnen, wie weit nach oben es noch bis zum Gipfel gehen sollte. Der Respekt vor der ersten Viertausenderbesteigung wuchs, die Vorfreude aber auch.
Früh morgens ging es dann am nächsten Tag los. Im Schein unserer Stirnlampen liefen wir Richtung Gletscher. Hinter dem Gran Paradiso sah man den ein oder anderen Blitz, was mich etwas beunruhigte. Unser Bergführer schien aber kein Problem damit zu haben, das Gewitter sollte sich wohl verziehen.
Am Gletscher angekommen packten wir das Seil aus und zogen die Steigeisen an. Mittlerweile dämmerte es, später sah man auch zum ersten Mal den Mont Blanc in den ersten Sonnenstrahlen leuchten.
Da schon Mitte August und der Sommer mal wieder ziemlich heiß war, war der Gletscher stark ausgeapert. Das heißt, ein großer Teil der Wegstrecke verlief über Blankeis und die meisten Gletscherspalten waren offen. Wir mussten diese daher im Slalom umgehen, wodurch sich die Tour etwas in die Länge zog. Dafür waren die Tiefblicke in die riesigen Gletscherspalten umso beeindruckender.

Die Nordwestwand des Gran Paradiso

Auf dem Laveciau-Gletscher

Vor dem letzten Anstieg
Weiter ging es zum sogenannten Eselsrücken. Hier vereinigten sich die Anstiege vom Rifugio Chabod und der vom Rifugio Emanuele II. Daher herrschte ab hier etwas mehr Betrieb. Etwa 200 Meter unterhalb des Gipfels begann ich die Höhe zu spüren - höher war ich bisher noch nie unterwegs. Akklimatisert waren wir auch nicht wirklich. Zumindest reichte eine Nacht auf 2.700 Metern nicht gerade, um mit einer Höhe von mehr als 4.000 Metern klar zu kommen.
Nach einer kurzen Pause gingen wir die letzten Meter an. Zum Schluss mussten wir noch eine kleine Kletterpassage überwinden, die allerdings durch Eisenstifte entschärft war. Kurz danach standen wir auch schon auf dem Gipfel - ehrlich gesagt "nur" auf dem Madonnengipfel, wo der Normalweg endete und mit dem auch die allermeisten Alpinisten zufrieden waren. Der tatsächliche Gipfel war nur unwesentlich höher, aber schwieriger zu erreichen.
Die Aussicht war atemberaubend. Im Umkreis von 45 Kilometern ist der Gipfel des Gran Paradiso der höchste Punkt, entsprechend weit reicht die Fernsicht. Im Nordosten zeigten sich die Walliser Alpen mit allen ihren großen Viertausendern, nordwestlich natürlich wieder der Mont Blanc und die Grandes Jorasses. In südlicher Richtung fiel das Gelände weit ab, am Horizont konnte man im Dunst noch den Monviso erkennen.
Am Gipfel war ein ziemlicher Trubel los und unser Bergführer machte etwas Druck, zügig wieder abzusteigen. So stellte sich, zu meiner eigenen Verwunderung, die große Freude über den ersten Viertausender noch nicht so richtig ein. Das sollte sich auch in den nächsten Stunden kaum ändern. Zu groß war letzlich die Erschöpfung, die Tour hatte mich sehr gefordert. Allem voran war der Abstieg nicht schön - ewig lang und das bei Blankeis. Entsprechend froh war ich, als das Ende des Gletschers endlich erreicht war und man die Steigeisen ausziehen konnte. Jetzt musste nur noch etwa eine Stunde zur Hütte zurückgelegt werden, der Abstieg ins Tal war glücklicherweise erst für den nächsten Tag geplant.

Blick auf die Walliser Alpen, u.a. mit Matterhorn, Dom, Breithorn, Liskamm und Monte Rosa

Blick in Richtung Süden, im Hintergrund ist schwach der Monviso zu erkennen

Alpenglühen am Abend
Doch selbst der vergleichsweise kurze Weg zur Hütte fühlte sich nochmal ewig lang an. Das lag allerdings primär daran, dass meine Beine sowieso schon so gut wie hinüber waren, da nervt dann jeder weitere Schritt.
Umso größer war am Ende des Tages der Stolz darüber, das große Ziel, einen Viertausender zu erklimmen, erreicht zu haben. Am Nachmittag ging es wohlverdient für eine Weile ins Bett. Dass draußen mittlerweile Weltuntergangsstimmung herrschte und ein Gewitter tobte, wie ich es noch nie erlebt hatte, war nun nicht mehr relevant.
Wenig später am Abend war das Gewitter auch schon vorbei, das Wetter war wieder bestens. Zum Abschluss des Tages konnten wir somit sogar noch das Alpenglühen genießen.